Ein besonderes Jubiläum feierte Brigitta Streich am 1. Juli 2024. Seit 1984 ist sie für die SPITEX BERN unterwegs und pflegt Kundinnen und Kunden. Wie sich ihre Arbeit und die Organisation verändert hat und warum sie die Spitex von einer ganz anderen Seite schätzen gelernt hat, erzählt sie uns in diesem Interview.
Warum hast du dich damals für eine Ausbildung in der Pflege entschieden?
Das hat sich einfach so ergeben. Ich komme aus einer Bauernfamilie im freiburgischen Überstorf und es war für mich naheliegend, nach der Schule ein Bauernlehrjahr zu machen. Meine Lehrmeisterin hatte schon viele Lehrtöchter ausgebildet und ein grosser Teil von ihnen hat später den Beruf der Hauspflegerin gewählt. Ich kam zur Überzeugung, dass das auch mein Weg sein könnte.
Wie war diese Ausbildung zur diplomierten Hauspflegerin aufgebaut?
Da die Schule für Hauspflege Bern erst mit 18 Jahren begonnen werden konnte, machte ich zwei Vorpraktika in einem Privathaushalt und im Pflegeheim. Die Hauspflegerinnen-Schule am Fischerweg in der Länggasse war eine Internatsschule. Dort wohnte und lernte ich zusammen mit anderen jungen Frauen. Die zwei Ausbildungsjahre bestanden aus je zwei Semestern Schule mit einer Vielfalt von Fächern: Von der häuslichen Krankenpflege, Hauswirtschaft und Kochen bis zur Nahrungsmittellehre. Das hat mir sehr gut gefallen. Die anderen zwei Semester waren aufgeteilt in Praktika in der Maternité, im Pflegeheim sowie Hauspflege auf dem Land und in der Stadt. Es war eine sehr interessante und abwechslungsreiche Zeit. Meinen Abschluss als «Diplomierte Hauspflegerin» erhielt ich 1984, genau vor 40 Jahren. 1998 bekam ich nach einer Ergänzungsprüfung das EFZ zur «Gelernten Hauspflegerin».
Wie dürfen wir uns den Spitex-Alltag in den 80er Jahren vorstellen und wie veränderte sich dieser?
Neben den pflegerischen Aufgaben kauften wir ein, kochten, putzten und wuschen. Und vor allem flickten und bügelten wir stundenlang. Wirklich stundenlang! Das war damals einfach so, auch wenn es heute unvorstellbar ist. Es kam auch vor, dass ich Möbel zusammenbaute, den Garten pflegte oder die Kinder der Wöchnerinnen hütete. Im Rückblick finde ich das schwer nachvollziehbar, vor allem die Tatsache, dass wir zeitweise ganz Tage beim gleichen Kunden waren – wer das wohl finanzierte? (lacht)
Nach und nach verkürzten sich die Einsätze und wurden in der Folge zahlreicher. Die Aufgaben im Haushalt wurden weniger, Priorität hatten die pflegerischen Aufgaben. Ich möchte aber betonen, wie sehr mir persönlich die Hauswirtschaft am Herzen lag. Oft bemerkt man den Wert der Hausarbeit leider erst, wenn sie nicht mehr erledigt werden kann.
Zu dieser Zeit warst du noch zu Fuss oder mit öV unterwegs?
Ja, zu dieser Zeit schon. Aber in den darauffolgenden Jahren gab es laufend Gebietsanpassungen, die Stadt Bern wurde aufgeteilt, Standorte gewechselt und neu gegründet. Da waren unter anderem die Länggasse, Villa Stucki, Belpstrasse, Eigerstrasse, das Calvinhaus und schlussendlich der Willadingweg. Während dieser Zeit stieg ich vom öV auf das Velo um. Das verkürzte die Wegzeiten und erleichterte die Planung. Zuerst hatte ich fürchterliche Angst, mich im Stadtverkehr mit dem Velo zu bewegen, aber jetzt habe ich viel Routine.
Inwiefern veränderten sich die pflegerischen Aufgaben?
Plötzlich musste, oder durfte ich zudem die komplexere Behandlungspflege übernehmen, das hat mich sehr herausgefordert. Ein Kurs in Behandlungspflege hat mir aber geholfen. Trotzdem war es mir peinlich, wenn ich bei den Kundinnen und Kunden war und noch unroutiniert z.B. Blutzucker messen, Messwerte interpretieren und Insulin verabreichen musste.
Wie bist du mit diesen neuen Herausforderungen und Veränderungen umgegangen?
Ich habe viele Weiterbildungen und Kurse rund um die Pflege besucht, das half mir, dranzubleiben und mit der Zeit zu gehen. Ein Kurs prägte mich ganz besonders: Im Zentrum Schönberg besuchte ich den Kurs «Demenz - Palliative care - Ethik». Dies inspirierte mich, in die Demenzpflege einzusteigen und mich im Demenzteam zu integrieren, wo ich mich sehr wohl fühle. Ich durfte dann auch die Weiterbildung «Demenzsupporter in der Spitex» besuchen. Das war eine echte Bereicherung!
Eigentlich nehme ich es, wie es kommt. Ich habe gelernt, mit Veränderungen und Herausforderungen umzugehen und versuche, mein Leben zu managen. Vor ca. 7 Jahren hatte ich eine schwere Zeit, aber jetzt geht es mir wieder besser. Und mein Schutzengel begleitet mich immer, wenn ich auf Einsätzen unterwegs bin.
Möchtest du über die schwierige Zeit erzählen?
Ja, beruflich fühlte ich mich ausgebrannt und zweifelte, ob ich den Job noch machen möchte und machen kann. Die Veränderungen in der SPITEX BERN waren damals fast überwältigend. Gleichzeitig hatte ich gesundheitliche Probleme. Ich leide an Weichteilrheuma und brauchte wegen einem Sehnenriss eine Schulter-OP. Diese Operation hat mir aber überraschenderweise neue Motivation für den Pflegeberuf gebracht. Nach der Operation war ich selbst auf die Spitex angewiesen und habe dadurch die Wichtigkeit meiner Arbeit wieder neu schätzen gelernt. Ich war so froh und dankbar für die Betreuung der Spitex!
Gleichzeitig riet man mir zu viel Bewegung wegen meinem Rheuma – da ist ein Job auf dem Velo ja eigentlich ideal! Und deshalb entschied ich mich dann doch aufs Neue für die Arbeit bei der Spitex Bern.
Hat dich jemand ganz besonders unterstützt während dieser Zeit?
Ja, ich habe meine Tochter an meiner Seite. Wir sind ein tolles Team und helfen einander, Herausforderungen zu meistern. Gleichzeitig haben wir viel Spass und viel zu lachen! Ich finde, dass Humor einem immer wieder durch mühsame und schwierige Situationen helfen kann.
Hattest du verschiedene Positionen und Funktionen bei der SPITEX BERN?
Für einige Zeit war ich die Stellvertreterin von verschiedenen Teamleiterinnen und als Berufsbildnerin für unsere Lernenden im Einsatz. Ich fand aber heraus, dass beide Funktionen nicht das Richtige sind für mich. Ich bin eher die Tüftlerin im Hintergrund. Eine Weile beschäftigte ich mich intensiv mit Computern und Programmen. Ich habe zum Beispiel im Excel einen Prototypen für die Organisation der Bedarfsabklärungen erstellt. Dieser wurde dann weiterentwickelt und kam dann auch an anderen Standorten zum Einsatz, was mich natürlich freute. Manche meiner Tüfteleien haben hingegen nicht viel gebracht aber es war trotzdem immer aufregend, etwas Neues zu lernen.
Nun bin ich schon eine ganze Weile im Demenzteam und arbeite dort in einem 60% Pensum. Das ist eine gute Lösung und gefällt mir.
Auf was freust du dich in den nächsten Jahren?
Ich freue mich darauf, weiterhin mit meinem Team zusammenzuarbeiten – wir sind ein Super-Team! Zudem freue ich mich auf weitere interessante Begegnungen mit Kundinnen und Kunden, diese zu unterstützen, Gelerntes anzuwenden und offen zu bleiben für Neues.
Und privat?
Privat freue ich mich auf meine Pensionierung. Vielleicht lasse ich mich bereits in drei oder vier Jahren pensionieren, wenn das möglich ist. Dann habe ich viel Zeit für Spaziergänge im Botanischen Garten und meine anderen Hobbys wie Zeichnen, Gitarre spielen und Hebräisch, Griechisch und Latein lernen.
Würdest du deinen Beruf wiederwählen?
Es ist ein schöner Beruf, sinnvoll und mit vielen inspirierenden Begegnungen. Der Beruf passt zu mir und ist nie langweilig, aber er hat sich verändert. Ich weiss nicht, ob ich unter den heutigen Bedingungen, vor allem dem hohen Arbeitstempo, nochmals 40 Jahre durchhalten könnte... Gleichzeitig schätze ich die Emotionen, die mein Beruf ermöglicht. Ich habe jeden Tag sehr schöne, aber auch anstrengende Begegnungen. Das ist einfach die Realität – wie gesagt, langweilig wird es nie.
Welche anderen Berufe würden denn in Frage kommen für dich?
Im Gesundheitswesen würde ich mir sicherlich Physiotherapie genauer ansehen, das könnte ich mir gut vorstellen.
Mein absoluter Traumberuf wäre aber Dialektforscherin. Ich liebe Sprachen mit all ihren Facetten, das finde ich enorm spannend.
Gibt es zum Schluss noch etwas, das du sagen möchtest?
Ja, unsere Arbeitsinstrumente und -Hilfen sind unglaublich wichtig. Fahrzeuge, Kleidung, Material und weitere Hilfsmittel erleichtern uns die Arbeit sehr. Die Einsätze werden dadurch stressarmer, ich bin froh, wenn uns die SPITEX BERN gutes Material zur Verfügung stellt.
Und die Anstellungsbedingungen bei der SPITEX BERN möchte ich auch erwähnen. Ich sage das, weil ich durch meine Schulter-OP lange krankgeschrieben war und von den guten Anstellungsbedingungen profitieren konnte. Es war in dieser Zeit sehr wichtig für mich, dass seitens SPITEX BERN gut zu mir geschaut wurde.
Herzlichen Dank für das Gespräch.